Wenn auf einmal die Sicht verschwimmt, Farben blasser und dunkler erscheinen oder Doppelbilder auftreten und die Augen bei Bewegung schmerzen, kann es sich um eine Entzündung des Sehnervs handeln, eine sogenannte Optikusneuritis. Tritt eine Sehnerventzündung bei bisher gesunden Menschen auf, kann dies ein Frühsymptom einer Multiplen Sklerose (MS) sein.
Optikusneuritis – Symptome und Verlauf
Die typische Optikusneuritis beginnt mit Augenbewegungsschmerz, gefolgt von schlechter werdender Sicht. Dabei kann die Sehschärfe über mehrere Tage abnehmen, bis fast zum vollständigen Verlust. Auch die Wahrnehmung von Kontrasten sowie das Farbsehen können in Mitleidenschaft gezogen werden. Betroffen ist in den meisten Fällen nur ein Auge. Im Gegensatz zu anderen Erkrankungen des Sehnervs, wie einem Tumor, können Patienten bei einer Sehnerventzündung üblicherweise genau benennen, wann die Symptome zum ersten Mal aufgetreten sind. Dies kann für die Diagnostik ein wichtiger Hinweis sein. Tritt die Sehnerventzündung zum ersten Mal auf, wird in den meisten Fällen innerhalb von zwei Monaten die volle Sehstärke wiedererlangt. Eine chronische Optikusneuritis kann zum Vollständigen Verlust der Sehkraft führen.
Wie wird eine Sehnerventzündung diagnostiziert?
Betrachtet ein Augenarzt die betroffenen Augen, sieht er in den meisten Fällen – nichts. Lediglich an der Papille, das ist die Stelle, an der der Sehnerv das Auge verlässt, kann es zu einer leichten Schwellung kommen, wenn die Entzündung nahe am Auge liegt. Das ist aber nur bei knapp einem Drittel der Erkrankungen der Fall. Einen deutlicheren Hinweis gibt die Pupillenreaktion. Trifft Licht auf die Augen, verengen sich die Pupillen beider Augen in gleichem Maße. Bei vorliegender Sehnerventzündung fällt diese Reaktion unterschiedlich aus. Treten zudem Schmerzen beim Bewegen der Augen auf, ergibt sich eine relativ sichere Diagnose. Zusätzlich lässt sich noch das Farbsehen überprüfen, indem nacheinander ein farbiges Bild mit dem einen und dann mit dem anderen Auge betrachtet wird. Normalerweise sollten in beiden Fällen die Farben gleich wirken, bei vorliegender Optikusneuritis erscheinen die Farben bei dem betroffenen Auge jedoch deutlich dunkler und weniger gesättigt. Eine typische Optikusneuritis tritt üblicherweise im Alter zwischen 18 und 50 Jahren auf. Außerdem sind Frauen häufiger davon betroffen als Männer.
Sehnerventzündung und MS
Etwa die Hälfte der Betroffenen erkrankt nach Auftreten der Optikusneuritis innerhalb von fünfzehn Jahren an Multipler Sklerose. Eine Sehnerventzündung kann also in vielen Fällen als erster Schub einer MS-Erkrankung verstanden werden. Der Sehnerv ist Teil des zentralen Nervensystems (ZNS) und, wie auch die übrigen Nerven des ZNS, von einer schützenden Myelinschicht umgeben. Gerade diese Schutzschicht wird bei einer MS-Erkrankung vom eigenen Immunsystem attackiert, wodurch sich Entzündungsherde an den empfindlichen Nerven bilden und zu den typischen Beeinträchtigungen führen. Sehstörungen zählen deswegen zu den häufigsten Symptomen einer MS-Erkrankung. Auf die Diagnose einer Sehnerventzündung sollte daher auch immer eine ausführliche Untersuchung durch einen Neurologen folgen.
Uhthoff-Phänomen
Ein häufiger Begleiter der Optikusneuritis ist das sogenannte Uhthoff-Phänomen. Es tritt bei etwa der Hälfte der Betroffenen und meist in der Phase der Regeneration auf. Unter dem Uhthoff-Phänomen versteht man die Verschlechterung der Krankheitssymptome, ausgelöst durch ansteigende Körpertemperatur, wie dies nach körperlicher Betätigung oder einem heißen Bad der Fall sein kann. Erstmals beschrieben wurde dieses Phänomen bereits 1890 durch den Augenarzt Wilhelm Uhthoff. Ursprünglich auf die Beeinträchtigung der Sehfähigkeit bezogen, wird damit heute jede Verschlechterung der MS-Symptome durch ansteigende Temperatur beschrieben. Die höhere Körpertemperatur führt zu einer verminderten Leitfähigkeit bei geschädigten Nerven. Die Verschlechterung der Symptome ist somit nicht auf neue Entzündungsherde zurückzuführen und außerdem nicht anhaltend. Man spricht in diesem Fall auch von einem Pseudoschub.
Was hilft bei Sehnerventzündung?
Die Kombination aus Augenbewegungsschmerz und schlechter werdender Sicht ist, wenn sie das erste Mal auftritt, für die meisten Menschen so beängstigend, dass sie automatisch das einzig Richtige tun – sie gehen sofort zum Arzt. Nur ein Arzt kann die korrekte Diagnose stellen, andere Erkrankungen ausschließen und notwendige Folgeuntersuchungen in die Wege leiten. Auch bei vorliegender MS-Erkrankung sollte bei akuten Sehstörungen immer sofort ein Arzt aufgesucht werden, da ein neuer Krankheitsschub vorliegen könnte. Eine typische Optikusneuritis wird mit Kortisoninfusionen behandelt, um die Entzündung einzudämmen. Zusätzlich kann das Tragen einer Sonnenbrille etwas Linderung verschaffen.
Externe Quellen:
- Diagnostik und Therapie der Optikusneuritis (Ärzteblatt)
- Sehstörungen – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e.V. (dmsg)