Den Alltag meistern: Wie Technik Sehbehinderten hilft

Einer Hochrechnung der Gutenberg-Gesundheitsstudie zufolge sind fast neun Prozent der Deutschen von einer Altersbedingten Makuladegeneration (AMD) betroffen. Die AMD ist damit die häufigste Ursache für Sehbehinderungen bis hin zur Blindheit im Alter. Gleichzeitig helfen viele technische Neuerungen Menschen mit Sehbehinderung im Alltag zurecht zu kommen. Einen Alleskönner haben viele schon dabei – das Smartphone.


Ein Sehbehinderter Mann sitzt auf einer Parkbank und nutzt sein Smartphone
Ein Sehbehinderter Mann sitzt auf einer Parkbank und nutzt sein Smartphone

Mit den Fingern lesen – die Blindenschrift

Doch von vorn: Die Braille-Schrift, also die Blindenschrift, ist seit 1825 – als sie von dem damals erst 16-jährigen Louis Braille entwickelt wurde – bis heute eines der wichtigsten Instrumente, um blinden Menschen den Zugang zu Wissen und Bildung zu ermöglichen. Denn selbstständiges Lesen bietet einen viel intensiveren Zugang zu Texten, als es durch bloßes Zuhören möglich wäre – und man benötigt keinen Vorleser. Sogenannte Braillezeilen können an den Computer angeschlossen werden und geben Zeile für Zeile den Bildschirmtext in Blindenschrift wieder. Dadurch wird auch blinden Menschen die selbstständige Arbeit am Computer ermöglicht. Auch im öffentlichen Raum hilft die markante Punktschrift blinden und sehbehinderten Menschen bei der Orientierung, sei es als Wegweiser in Bahnhöfen oder als Beschriftung der Tasten an Fahrkartenautomaten. Allerdings sorgt gerade bei Automaten eine technische Neuerung für eine Ausgrenzung blinder Menschen. Immer mehr Geräte werden mit Touchdisplays ausgestattet. Die völlig glatten Oberflächen sind mit den Fingern allerdings auch völlig unlesbar.

Technische Hilfsmittel übersetzten Bildschirminhalte in Blindenschrift
Technische Hilfsmittel übersetzten Bildschirminhalte in Blindenschrift

Barrierefreies arbeiten durch inklusive Softwarelösungen

Während also manche technische Neuerung für Menschen mit Sehbehinderung eine Hürde darstellt, ist der heimische PC eines der wichtigsten Mittel zu gesellschaftlicher Teilhabe. Der eigene Computer ermöglicht Zugang zu den unterschiedlichsten sozialen Netzwerken, dient als Informationsquelle und kann eben auch ein vollwertiger Arbeitsplatz sein. Für sehbehinderte Menschen stehen Screenreader zur Verfügung; dabei handelt es sich um Software, die Bildschirminhalte in Sprache übersetzt. Menschen mit Sehrest können Programme nutzen, die Bildschirminhalte stark vergrößert anzeigen. Viele professionelle Büroanwendungen sind darauf ausgelegt, mit der Maus bedient zu werden, per Klick auf Eingabefenster oder Auswahlwerkzeuge. Doch die Computermaus ist für Blinde nutzlos, und die Nutzung der Programme ist häufig umständlich und wenig effizient. Einige Softwarehersteller haben sich auf genau diesen Bereich spezialisiert und entwickeln Programme, die auf die Bedürfnisse blinder Menschen zurechtgeschnitten sind. Sie ermöglichen blinden Menschen ähnlich effizient wie ihre sehenden Kollegen zu arbeiten.

Praktische Haushaltshelfer für Blinde und Sehbehinderte

Auch im Haushalt bietet der Einsatz moderner Technik ganz neue Hilfsmöglichkeiten. Kleine, handliche Farberkennungsgeräte können Farben ‘lesen’ und über eine Sprachausgabe wiedergeben. Unterschiedliche Farbtöne werden dabei möglichst leicht verständlich wiedergegeben. Statt mit einem Modebegriff wie Kastanie würde ein Farbton dann als dunkles Rot mit hohem Braunanteil beschrieben. So fällt es leichter, farblich passende Kleidung aus dem Schrank zu suchen. Ähnlich hilfreich ist der EinkaufsFuchs. Dieser nützliche Helfer kann Strichcodes auf Verpackungen erkennen und Dank einer umfangreichen Datenbank zuordnen und den Inhalt vorlesen. Damit lässt sich der Einkauf ohne fremde Hilfe bewältigen. Auch Waren im eigenen Vorratsschrank kann der Nutzer so finden. Weitere praktische Helfer für den Haushalt sind:

  • sprechende Waagen, Uhren und Taschenrechner
  • Münzsortierer
  • elektronische Füllhöhenanzeiger für Behälter
  • Pillenboxen mit Alarm und verwechslungssicheren Fächern

Wie Technik die Sehkraft ersetzt

Ein wahrer Alleskönner ist die OrCam MyEye. Dabei handelt es sich um eine kleine Kamera, die unauffällig an den Brillenbügel geklippt wird. Sie kann den Text auf Displays, Schildern oder Büchern erkennen und über einen kleinen Lautsprecher vorlesen lassen. Das Gerät kann auch Geldscheine erkennen, Barcodes auf Verpackungen lesen und Farben zuordnen. Sogar Gesichter, Gegenstände und Gebäude können wiedererkannt werden. Mehr Funktionen bietet sonst nur das Smartphone. Ende November 2017 wurde MyEye in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung nach §139 SGB V aufgenommen. Krankenkassen übernehmen also die nicht unerheblichen Kosten bei gesetzlicher Blindheit. Bei gesetzlich hochgradig seheingeschränkten Menschen treffen die Krankenkassen eine Einzelfallentscheidung.

Die meisten Funktionen für Sehbehinderte: Das Smartphone

Moderne Smartphones können viele der bisher genannten Aufgaben übernehmen: Die meisten Geräte bringen schon von Haus aus Spracheingabe und Sprachausgabe mit. Diese lässt sich auch mit einer Steuerung über einfache Fingergesten kombinieren. Menschen mit Restsehkraft können die Kombination aus Kamera und Display auch als Vergrößerungsglas nutzen. Das Smartphone kann Hörbücher abspielen, Inhalte aus dem Internet vorlesen und E-Mails empfangen oder schreiben. Außerdem kann es auch noch als Navigationssystem genutzt werden. Allerdings benötigt das Smartphone für die meisten Funktionen einen aktiven Internetzugang. Und das vielleicht größte Manko: Gerade ältere Menschen haben häufig Hemmungen, diesen Technikberg zu besteigen. Hilfe bieten Vereine wie der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin. Dort finden Betroffene nicht nur umfangreiche Informationen rund um das Thema Hilfsmittel, sondern die Vereine bieten Interessierten häufig auch Kurse zum erleichterten Umgang mit technischen Geräten an.

Technik unterstützt die Teilhabe im Alltag

Blinde oder sehbehinderte Menschen haben im Alltag oft mit Hindernissen zu kämpfen, die Sehenden gar nicht auffallen. Farblich passende Kleidung auswählen, die richtigen Münzen und Geldscheine finden oder sich ein Glas Saft einschenken, ohne dass es überläuft. Vom Zugang zu Medien, wie Büchern, Zeitungen und Fernsehen ganz zu schweigen. Gerade Menschen, die erst spät eine Sehbehinderung erworben haben, zum Beispiel durch eine altersabhängige Makuladegeneration, fällt es schwer, die Hürden des Alltags zu meistern. Weder ist eine helfende Hand ständig verfügbar, noch möchte man permanent auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Doch viele technische Neuerungen können sehbehinderten Menschen helfen, ein Stück selbstbestimmtes Leben zurückzugewinnen.

Externe Quellen

Hinweis: Dieser Artikel enthält der Vollständigkeit halber Produkt- und Herstellernamen. Wir haben keinen Kontakt zu diesen Herstellern und erhalten auch keine Zuwendungen für die Nennung der Produkte. Aufgrund von Haftungsfragen verlinken wir die Produkte an dieser Stelle nicht.

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