Vitamin E: Schutz für die Zellen
Bei seiner Entdeckung wurde vermutet, dass Vitamin E wichtig für die Fruchtbarkeit von Säugetieren sei. So erhielt es auch seinen wissenschaftlichen Namen: Tocopherol. Dieser ist abgeleitet von den altgriechischen Wörtern „tocos“, was sich mit „Geburt“ übersetzen lässt, und „pherein“, was nichts anderes als „bringen“ bedeutet. Das Tocopherol sollte also die Geburt bringen. Mittlerweile geht man davon aus, dass Vitamin E hauptsächlich die Zellen vor Oxidation schützt, also vor einer Beschädigung durch bestimmte Prozesse im Stoffwechsel. Zudem hat sich gezeigt, dass es sich nicht um einen einzelnen Stoff handelt, sondern um eine ganze Gruppe fettlöslicher Substanzen mit ähnlichen Eigenschaften. Erfahren Sie hier, was Sie noch alles über Tocopherole wissen müssen.
In pflanzlichen Ölen befindet sich viel Vitamin E.
Wie und wann wurde Vitamin E entdeckt?
Entdeckt wurde Vitamin E bereits 1922 von einer Forschungsgruppe um Herbert M. Evans und Katherine S. Bishop. Evans, Professor für Anatomie, befasste sich schon während seiner Studienzeit mit der Embryonalentwicklung. In einer Reihe von Arbeiten konnte er den Einfluss von Nahrungsmitteln auf den Sexualzyklus von Ratten nachweisen. Fehlten bestimmte Nahrungsbestandteile, wurden die Versuchstiere unfruchtbar. Durch die Verwendung unterschiedlicher Diäten konnte der bestimmende Faktor schließlich aus Weizenkeimöl und Mais isoliert und der damals gerade erst entdeckten Gruppe der Vitamine zugeordnet werden. Im Jahr 1937 wurde erstmals auch eine antioxidative Wirkung von Tocopherol festgestellt. Im darauffolgenden Jahr wurde schließlich die chemische Struktur von Vitamin E durch Erhard Fernholtz beschrieben. Paul Karrer gelang daraufhin die Synthese. Er entschlüsselte außerdem die Struktur der Vitamine A und B und wurde für seine Forschungsarbeit mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
Die chemische Struktur von Vitamin E
Wie zuvor erwähnt, handelt es sich bei Vitamin E um eine Stoffgruppe mit ähnlichen Eigenschaften. Auch die chemische Struktur der einzelnen Stoffe ist ähnlich. Jetzt wird es kurz etwas fachlich: Allen gemeinsam als chemische Struktur ist ein sogenannter Chromanring als Basis. Außerdem besitzen sie eine „angehängte Seitenkette“. Dabei handelt es sich nicht um Schmuck, sondern ebenfalls um eine chemische Struktur, die gesättigt oder ungesättigt sein kann. Das kennen Sie vermutlich eher von Fettsäuren. Ist die Seitenkette gesättigt, handelt es sich um Tocopherole, bei einer einfach ungesättigten Seitenkette um Tocomonoenole und bei einer Seitenkette mit drei Doppelbindungen um Tocotrienole. Für den Chromanring sind zusätzlich vier unterschiedliche Grade der Methylierung möglich. Diese werden als α, β, γ und δ bezeichnet. Um das Ganze noch etwas komplizierter zu machen, können auch drei der vier Methylgruppen der Seitenkette unterschiedliche räumliche Positionen einnehmen. Sie können nach rechts (R) oder nach links (S) ausgerichtet sein. Tocopherole kommen natürlicherweise nur in der (RRR) Konfiguration vor. Die höchste biologische Aktivität weist α-Tocopherol auf. Dies ist zugleich die am besten erforschte Form des Vitamin E. Uff – das war genug Chemie für heute!
Chemische Struktur von Vitamin E (Alpha-Tocopherol).
Welche biologische Bedeutung hat Vitamin E?
Die wesentliche Funktion von Vitamin E liegt im Schutz der Zellen vor Oxidation durch freie Radikale, also durch besonders aggressive Sauerstoffverbindungen, die die Zellen schädigen können. Tocopherole sind in allen Zellwänden zu finden und schützen dort insbesondere auch die darin enthaltenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren vor der Oxidation. Vitamin E wird dabei selbst zu einem Radikal, allerdings zu einem reaktionsträgen und damit unschädlichen. Durch Ascorbinsäure, also Vitamin C, kann dieses Radikal wieder zu Vitamin E regeneriert werden. Vitamin E scheint zudem an der Steuerung der Keimdrüsen beteiligt zu sein, also den Eierstöcken der Frau und der Hoden des Mannes. Der aus dem Altgriechischen hergeleitete Name ist also nicht ganz verkehrt. Die höchste biologische Aktivität weist (RRR)-α-Tocopherol auf. Es wird durch ein spezielles Protein, das in der Leber gebildet wird, besser als andere Tocopherole ins Blutplasma transportiert.
Aktuelle Forschung rund um Vitamin E
In der Vergangenheit wurden die unterschiedlichen Tocopherole und Tocotrienole weitestgehend mit α-Tocopherol gleichgesetzt. Unterschiede wurden hauptsächlich in der Bioverfügbarkeit gesehen. So geht die Forschung aktuell davon aus, dass δ-Tocopherol nur noch zehn Prozent der biologischen Aktivität von α-Tocopherol aufweist. Aus diesem Grund wurden in der Vergangenheit Studie zur Wirksamkeit von Vitamin E überwiegend mit α-Tocopherol durchgeführt. Neuere Studien geben allerdings Hinweise darauf, dass die unterschiedlichen Formen auch an unterschiedlichen physiologischen Prozessen beteiligt sein könnten. So scheint γ-Tocopherol nicht nur Sauerstoffradikale, sondern auch Stickstoffradikale abzufangen – damit hätte es sogar ein höheres antientzündliches Potential. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass Tocopherol auch als Signalmolekül bei der Aktivierung von Abwehrzellen beteiligt sein könnte. Es wird vermutet, dass sich α-Tocopherol hemmend auf die Ausschüttung von Leukozyten auswirkt, während γ- und δ-Tocopherol den gegenteiligen Effekt hat. Zu den Wechselbeziehungen der Tocopherole untereinander fehlen zudem noch aussagekräftige Studien. Hier dürfte in Zukunft noch mit spannenden Erkenntnissen gerechnet werden.
Wie entsteht Vitamin E und wie wird es aufgenommen?
Zur Biosynthese von Vitamin E sind ausschließlich Pflanzen und einige Cyanobakterien in der Lage. Tierische Produkte enthalten daher höchstens geringe Mengen. Gute Quellen für das fettlösliche Vitamin sind dagegen pflanzliche Öle, Ölsaaten und Nüsse. Mit stattlichen 215 mg pro 100 g weist Weizenkeimöl den höchsten Gehalt an Vitamin E auf. Zudem enthält Weizenkeimöl neben α-Tocopherol auch β-Tocopherol. Sojaöl enthält dagegen auch γ- und δ-Tocopherol. Um eine Versorgung mit allen Vitameren sicherzustellen, sollte also auf Abwechslung im Speiseplan geachtet werden. Wer immer wieder mal unterschiedliche Vollkornprodukte verwendet und nicht immer zum gleichen Speiseöl greift, sollte auf der sicheren Seite sein. Vitamin E aus Nahrungsergänzungsmitteln sollte immer mit etwas Öl oder einer wenigstens leicht fetthaltigen Mahlzeit eingenommen werden. Denn der Transfer durch die Darmwand erfolgt in sogenannten Mizellen. Das wiederum sind im Großen und Ganzen nichts anderes als winzige Fetttröpfchen.
Was passierte bei einem Vitamin E Mangel?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für erwachsene Frauen eine Zufuhr von 11-12 mg Vitamin E täglich. Der Tagesbedarf für Männer liegt demzufolge bei 12-15 mg. Da der Körper das fettlösliche Vitamin sehr gut speichern kann, sind Mangelerkrankungen äußerst selten und meist mit einer krankhaft gestörten Nährstoffaufnahme verbunden. Dies kann beispielsweise bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen der Fall sein, bei Anorexie oder bei gestörter Fettverdauung. Die Anzeichen für einen Vitaminmangel können recht vielfältig sein und zeigen sich vor allem durch Störung der Muskel- und Nervenfunktion. Möglich sind auch Durchblutungsstörungen, eine allgemeine Abwehrschwäche, unwillkürliches Zittern und verlangsamte Reflexe. Zudem können durch lang anhaltenden Vitamin E Mangel Schäden an der Netzhaut verursacht werden.
Auch Nüsse sind eine gute Quelle für Vitamin E.
Ist eine Überdosierung mit Vitamin E möglich?
Lange Zeit galt die Zufuhr von Vitamin E als völlig unbedenklich. Neuere Studien geben jedoch Hinweise darauf, dass bei zu hoher Vitamin E Zufuhr auch unerwünschte Wechselwirkungen auftreten können. Dies betrifft insbesondere Menschen mit Blutgerinnungsstörung, da Vitamin E mit Vitamin K in Wechselwirkung tritt. Dadurch kann die Fähigkeit zur Blutgerinnung weiter herabgesetzt werden. Bei Männern ab 55 Jahren wurde bei einer täglichen Dosis ab 268 mg zudem ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs festgestellt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat eine tolerierbare Höchstmenge von 300 mg für Erwachsene festgelegt. Um diesen Wert nicht zu überschreiten, empfiehlt das das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für Nahrungsergänzungsmittel einen Wert von 30 mg pro Tag.